Roboter-Greifer aus dem 3D-Drucker

03.06.2024

BMW Group: Vorreiter im 3D Druck

Die BMW Group setzt im Produktionssystem vermehrt auf individuelle Roboter-Greifer aus dem 3D-Drucker

München. Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung ist die BMW Group ein Vorreiter im Additive Manufacturing – besser bekannt als 3D-Druck. 1991 kamen bereits einzelne Fahrzeugteile für Konzeptfahrzeuge, Prototypen und Rennfahrzeuge aus 3D-Druckern. Später folgte auch die Produktion von Serienmodellen und daneben auch zahlreicher Arbeitshilfsmittel und Werkzeuge für das eigene Produktionssystem. Am „Additive Manufacturing Campus“ in Oberschleißheim, wo die BMW Group Produktion, Forschung und Weiterbildung zum 3D-Druck unter einem Dach gebündelt hat, wurden im Jahr 2023 insgesamt mehr als 300.000 Teile „gedruckt“. Dazu kamen in allen Werken des weltweiten Produktionsnetzwerks, von Spartanburg über die deutschen bis zu den asiatischen Standorten, in den letzten Jahren weit mehr als 100.000 gedruckte Teile hinzu.

„Der vermehrte Einsatz von Additive Manufacturing im BMW Group Produktionssystem bringt zahlreiche Vorteile. Wir sind damit zum Beispiel in der Lage, schnell, kostengünstig, flexibel und mit nachhaltigen Materialien selbst Produktionshilfsmittel und Handling-Greifer zu produzieren, die wir jederzeit individuell an die Bedürfnisse anpassen und dazu gewichtsoptimiert gestalten können. Weniger Gewicht ermöglicht höhere Geschwindigkeiten am Band, verkürzte Taktzeiten und reduzierte Kosten. Außerdem können mittelfristig kleinere Roboter eingesetzt werden, was ebenfalls CO₂‑Emissionen und Kosten verringert“, sagt Jens Ertel, Leiter des „Additive Manufacturing Campus“.

Schon seit einigen Jahren nutzt das Landshuter Leichtbau- und Technologiezentrum der BMW Group ein besonders großflächiges Greifer-Element, das im 3D-Druckverfahren entstanden ist. Der rund 120 Kilogramm leichte Greifer für einen Roboter lässt sich in einer Druckzeit von lediglich 22 Stunden herstellen. Der Greifer kommt an einer Presse in der Fertigung von allen CFK-Dächern für die Modelle der BMW M GmbH zum Einsatz. Im Vergleich zu herkömmlichen Greifern sind die im 3D-Druck hergestellten Dächer rund 20 Prozent leichter, wodurch sich die Nutzungsdauer der Roboter verlängert sowie Verschleiß und Wartungsintervalle der Anlagen reduziert werden. Alleinstellungsmerkmal des Roboter-Greifers ist die ideale Kombination von zwei unterschiedlichen 3D-Druck-Verfahren. Während die Vakuumgreifer und die Halter der Nadelgreifer zur Aufnahme des CFK-Rohmaterials mittels Selektiver Laser Sinterung (SLS) entstehen, werden die großflächige Dachschale und die Tragstruktur mittels Large Scale Printing (LSP) hergestellt. Im LSP lassen sich großflächige Bauteile kostengünstig und nachhaltig produzieren. Dabei werden Spritzgussgranulat und recycelte Kunststoffe verwendet – auch CFK‑Reststoffe lassen sich nutzen und weiterverwerten. Im Vergleich zum Einsatz von Primärrohstoffen ist der CO₂-Ausstoß bei der Herstellung des Greifers mehr als 60 Prozent geringer.

Im Sommer 2023 wurde eine neue, nochmals leichtere Greifer-Generation eingeführt. Dafür wurde das vorherige Greiferkonzept analysiert und topologisch optimiert – die Geburtsstunde für den bionischen Roboter-Greifer. Dieser kombiniert die Dachschale aus dem LSP-Drucker mit SLS-Saugern und einer bionisch optimierten Tragstuktur. Der neue Greifer spart im Vergleich zum Vorgänger weitere 25 Prozent Gewicht ein, dadurch kann der komplette Herstellungsprozess eines CFK-Dachs für den BMW M3 mit nur noch einem statt zuvor drei Robotern realisiert werden. Mittlerweile kommen im BMW Group Werk Landshut für alle CFK-Dächer Doppel-Greifer zum Einsatz, die mittels 3D-Druck individuell intern hergestellt wurden.

Auch im Karosserie-Rohbau setzt die BMW Group bereits auf mit Hilfe von 3D-Druck erstellte Greifer, beispielsweise gedruckte Greifer zum Handling von Türen im BMW Group Werk Regensburg. Im BMW Group Werk München werden seit neuestem erste Exemplare eines bionischen Roboter-Greifers genutzt, der die komplette Bodengruppe eines BMW i4 fassen und bewegen kann. Für den Greifer der Bodengruppe entsteht per 3D-Druck eine Sandgussform, die mit flüssigem Aluminium gefüllt wird. Der Träger ist in Bezug auf sein Gewicht und seine maximale Traglast optimiert und wiegt mit allen zusätzlichen Anbauelementen lediglich 110 Kilogramm. Damit ist er rund 30 Prozent leichter als das vorherige, konventionelle Modell. Die Herstellung mit Sandguss und Aluminium bietet die Möglichkeit, auch lastoptimierte filigrane Strukturen darstellen zu können. Das bringt eine maximale Gewichtsreduzierung und ermöglicht so mittelfristig den Einsatz kleinerer und leichterer Schwerlastroboter, die weniger Energie benötigen und damit die CO₂‑Emissionen reduzieren.

Die Auslegung und Berechnung von filigranen und bionischen Strukturen erfolgt mit Hilfe von speziellen, generischen Softewaretools, zum Beispiel mit Synera. Diese Software ermöglicht eine schnelle und effiziente Optimierung und wird mittlerweile in vielen Entwicklungsbereichen der BMW Group angewendet. Speziell im 3D-Druck lohnt sich der Einsatz der Software, da die in ihrer Topologie optimierten, bionischen Strukturen durch den hohen Freiheitsgrad des 3D-Druck annähernd eins zu eins gedruckt werden können. Damit kann das volle Leichtbaupotential ausgenutzt werden. Im Additive Manufacturing Campus der BMW Group vergleicht ein Team von Design- und Konstruktionsspezialisten, die verschiedensten Softwarelösungen und nutzt diese für die Auslegung von Komponenten. Das Know-how zum 3D Druck wird vom Additive Manufacturing Campus unternehmensweit geschult. Im vorliegenden Anwendungsfall der Greifer-Auslegung wurden spezielle Workflows entwickelt und eingesetzt, die die Berechnung und Konstruktion der Tragstruktur weitestgehend automatisiert und damit schnell und effizient durchführen.